Es ist immer wieder erfrischend, auf YouTube, in sozialen Medien und Zeitungen zu lesen, dass wir nicht alles verbieten und offen für technologischen Wandel sein sollten. Konservative preisen dies gerne als „Technologieoffenheit“ und warnen vor einer „Klimadiktatur“.
Doch für manche bedeutet dies, dass wir jetzt gar nichts tun müssen. Wir sollen einfach auf neue Technologien wie die Fusionsenergie oder Bill Gates’ „Vision“ von Mini-Brutatomreaktoren warten, die bislang nicht funktionieren. Die Kernenergie ist rückläufig, oft ein finanzielles Desaster, es gibt keinen Platz für den anfallenden Müll, der für unvorstellbar lange Zeit sicher gelagert werden muss – ganz zu schweigen von den möglichen Katastrophen. Die Geschichte liefert uns unzählige Beispiele dafür.
Die Ausrede lautet dann, wir müssten uns aus der Klimakatastrophe heraus innovieren. Obwohl wir das Wissen (laut Wikipedia seit den 1950ern) und die Mittel dazu hätten, eilen wir nicht, denn es betrifft „nur“ den Planeten, auf dem wir leben. Vielleicht finden wir ja irgendwo eine neue bewohnbare Kugel oder „terraformen“ eine andere, bis sie uns gefällt. Leider sieht es schlecht aus; solche Planeten sind beim Versandhändler Ihres Vertrauens aktuell ausverkauft.
Einfach gesagt, es ist eine beliebte Ausrede, Probleme auf die nächste Generation zu verschieben und so weiterzuleben wie bisher. Wenn man über 50 ist, genug Geld hat und im Besitz von Klimaanlage und Eigentum ist, dann ist das Leben bequem. Die letzten 20 Jahre werden wir schon noch überstehen.
Dabei vergessen wir leicht, dass die nächsten Generationen die Probleme ausbaden müssen. Der Klimawandel schreitet schneller voran als erwartet, also ist es ungewiss, ob es diese Generation nicht auch betrifft. Auch der Glaube an ein Ausweichen in ein anderes Land oder einen anderen Flecken ist illusorisch, da es sich um ein globales Phänomen handelt.
Die Abwertung von Technologien wie Solar und Wind ist ironischerweise ein Amüsement. Diese Technologien erscheinen zu simpel, da fehlt diese Erhabenheit über allem zu stehen. Eine Photovoltaikanlage wird einfach aufs Dach geschraubt und – voilà – liefert Strom ohne Rauch und Dampf. Das muss Teufelszeug sein. Denn ein „schönes“ konventionelles Kraftwerk erfordert schon den Bau eines Tempels, aus dem es dampft und raucht – die pure Erhabenheit in ihrer Imperfektion. Vor allem die politische Übereinstimmung, die dabei plötzlich mit bestimmten Parteien entsteht, sollte zum Nachdenken anregen.
Abschließend: Ich bin sicher kein perfekter Klimavorreiter, doch ich versuche, mir nichts schönzureden, mich anzupassen und Veränderungen vorzunehmen. Ich setze nicht darauf, dass in der Zukunft irgendein Messias mit der Wunderlösung kommt. Die notwendigen Mittel und das Wissen liegen längst auf dem Tisch, doch stattdessen wird weiterhin nur Däumchen gedreht. Am Ende wird nicht die Umstellung auf erneuerbare Energien, sondern das Zögern der Untergang unserer Wirtschaft sein. Aber was weiß ich schon? Irgendwo auf Telegram wird sicher jemand die Lösung in einem verpixelten Video geteilt haben.
Kurz gesagt: Technologie ist selten die Lösung für soziologische Probleme, weil sie zu kurz greift. Ein Beispiel aus meiner alten Studenten-WG: In unserem winzigen Toilettenraum stapelten wir leere Klopapierrollen an einem hoch gelegenen Fenster. Wer von herabfallenden Rollen getroffen wurde, musste aufräumen. Es war wie verhext, da es immer dieselbe traf. Nach dem dritten Vorfall war der Betroffene ziemlich angefressen und forderte eine Änderung – nicht gerade freundlich, aber es veranschaulicht gut, wie das Verschieben von Problemen meist endet.