„Abhängen" - Eine ausgestorbene Kunst?
Leitfaden zur Wiederbelebung der verlorenen Unbeschwertheit im Erwachsenendasein
Es ist doch irgendwie amüsant, wie wir in jungen Jahren unbeschwert Zeit miteinander verbracht haben, sei es in unserer Kindheit oder Jugend. Da haben wir uns einfach getroffen, um gemeinsam Dinge zu unternehmen, ob wir nun einfach nur „abgehangen“ im Wohnzimmer eines Freundes gesessen oder zusammen an der jeweiligen Spielkonsole gezockt haben. Wir haben uns unterhalten, und eigentlich war alles bestens.
Doch mit dem Erwachsenwerden scheint diese Unbeschwertheit irgendwie verloren zu gehen. Man fragt sich unweigerlich: Warum eigentlich? Warum verabredet man sich nun immer in einer Bar, einem Café oder Restaurant, oft für Dinge, die man eigentlich nicht braucht, und gibt dort Geld aus für Erlebnisse, die man genauso gut und günstiger auf einer Parkbank haben könnte? Letztendlich geht es doch darum, Zeit mit Freunden zu verbringen, und das muss nicht zwangsläufig immer mit dem Faktor Geld verbunden sein.
Ja, ich weiß, es wirkt einfach bequemer. Zu Hause muss man ja nicht aufräumen etc. Doch wie wichtig ist es, vor den engsten Freunden die Illusion des Perfektionismus aufrechtzuerhalten? Sie kennen einen doch ohnehin und wissen, wie es zu Hause aussieht. Selbst andere Berufsgruppen lässt man in seine vier Wände, ohne sich groß Gedanken darüber zu machen, was diese Person von einem halten könnte, weil es letztlich irrelevant ist. Diese Person kommt und geht. Doch bei Freunden bemühen wir uns, eine Illusion aufrechtzuerhalten, die völlig unnötig ist.
Deshalb fände ich es wesentlich schöner und angenehmer, wenn wir wieder anfingen, mehr „abzuhängen“ und einfach die Zeit zu genießen, anstatt krampfhaft alles in unser Leben zu pressen, das ohnehin schon an einen Terminplan bei der Arztpraxis erinnert. Man muss sich zwei Monate im Voraus anmelden, landet dann auf der Warteliste, und vier Monate später trifft man sich dann zum Kaffee und Kuchen im Café oder Bistro. Oder besser noch, zum Brunch – dann hat man Frühstück und Mittagessen in einem und kann danach gleich zum nächsten Termin eilen. Der Brunch, der kleinste gemeinsame Nenner, um möglichst viel in einen Tag zu quetschen und damit Zeit zu "gewinnen", die man sonst nicht hätte. Eine Errungenschaft, nach der eigentlich niemand gefragt hat, aber hey.
Die moderne Work-Life-Balance suggeriert, von Montag bis Freitag Termine wahrzunehmen, um dann am Wochenende die Freizeittermine quasi "abzuarbeiten". Welch ein Vergnügen! Da fragt man sich doch, was uns dazu bewegt, ab einem gewissen Alter in diesen Erwachsenenmodus zu schalten und die Unbeschwertheit hinter uns zu lassen. Klar, das Leben bringt viele Erfahrungen mit sich, doch ist nicht der wahre Luxus, einfach mal Zeit zu haben und die Dinge unkomplizierter anzugehen? Natürlich genieße ich auch hin und wieder den Besuch in einem Restaurant oder Café, aber muss es wirklich immer sein?
Vielleicht ist es eine der wichtigen Lektionen, die wir aus unserer Jugend mitnehmen können: sich die Zeit zu nehmen, locker zu bleiben und einfach mal abzuhängen. Im Endeffekt verpasst man nichts, wenn man einfach nur da sitzt und plaudert.